Kürzlich hörte ich die folgende Geschichte. In einem Unternehmen mit 35 Mitarbeitern hatte ein älterer Kollege die Aufgabe „die Post zu machen“. Seit Jahren verrichtete er seinen Dienst zuverlässig; er galt als fleissig und still. War er in Urlaub, so erledigten seine Kollegen die dringenden Dinge, ließen das Übrige für ihn. Alles im grünen Bereich, so soll es sein, kein Grund für eine besondere Wertschätzung der Position. Oder…?

Es begab sich, dass besagter Kollege demnächst wegen einer lange geplanten Operation für mehrere Wochen ausfallen sollte. Kein wirkliches Problem, so dachte man sich: Aufgaben umverteilen und Übergabe organisieren. Aber ach… Schnell zeigte sich WAS der nunmehr fehlende Kollege eigentlich leistete. Offenbar hatte er über Jahre hinweg nicht nur „die Post bearbeitet“, sondern seinen Kollegen in hocheffektiver Weise viele Dinge vorgearbeitet, aufbereitet und abgenommen – ohne viel Aufhebens. Plötzlich sprachen alle mit höchstem Respekt von ihm. Keiner hatte in all der Zeit bemerkt, welcher Relevanz dieser Kollege im System der täglichen Abläufe eigentlich hatte.
Ich frage mich, ob auch in anderen Organisationen und Teams solche „Schattenmänner/-frauen“ zu finden sind? Und: Woran liegt es, dass wir die Bedeutung eines Systemelements (hier: Mitarbeiter) für das ganze System (hier: das Unternehmen) so sehr verkennen können?